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Auf dieser Seite möchte ich euch nach und nach die Geschichten zu den einzelnen Liedern erzählen, was dahinter steckt und wie sie entstanden sind. Vielleicht ist dies interessant für euch, aber noch wichtiger ist es mir, wenn ihr selbst eure eigenen Inspirationen und Interpretationen beim Hören findet.


  • Wovon ich träume

    Die aktuellen kriegerischen Eskalationen in Europa, Nahost und überhaupt in der ganzen Welt beschäftigen mich sehr, bedrücken mich und wühlen mich auf. Wie ich schon zum Lied “Hoffnung” geschrieben habe, bin ich groß geworden mit den Erzählungen meiner Mutter und ihrer Familie – später auch durch meine geriatrischen Patienten – , was “Krieg, Flucht, Vertreibung” bedeutet und mit den Menschen macht.

    Irgendwann in den 80ern war ich mit unseren Kindern zu Hause in Bonn in der Küche und höre dabei Radio. Die Sendung wurde durch eine Warnmeldung von der Polizei unterbrochen: Ein US-amerikanisches Militärflugzeug, ein Starfighter, hatte während eines Übungsfluges im Raum Koblenz – Eifel – Bonn seine Übungsbombe, eine Pershingrakete, verloren, zwar ohne den möglichen atomaren Sprengkopf, aber immerhin… Die Bevölkerung in diesem Bereich wurde nun gebeten danach Ausschau zu halten und gegebenenfalls Polizei oder Feuerwehr zu informieren …

    Im ersten Moment habe ich laut gelacht. Dann habe ich das folgende Lied geschrieben.

    WOVON ICH TRÄUME

    Wollt ihr wissen, wovon ich träume,
    wenn ich mit meinen Kindern spiele, wenn ich die Wohnung aufräume?
    Ich träum’ nicht vom Regen- bogen, fernen Ländern, gold’nen Sternen,
    nicht davon ein Star zu sein, nicht von Ferien in den Bergen,
    nicht mehr, schon lang nicht mehr,
    nicht mehr, nicht] mehr!

    Ich hör das Radio. Da die undenkbare Warnung:
    es fliegt so ‘ne Rakete auf unsre Stadt zu, ohne Erbarmen!
    Man zählt ihre Wirkung in Megatonnen, die Opfer in Millionen.
    War es ein Versehen? Wurde sie gezündet in aggressiver Laune?
    Wer fragt jetzt schon! Wer fragt jetzt schon!
    Wer fragt schon? Wer schon?

    Ich schnapp’mir die Kinder: wir müssen hier raus!
    Wir müssen schnell zur Straßenbahn oder sonst wie aus dieser Stadt heraus!
    Der Kleine braucht frische Windeln, der Große stellt sich quer,
    und überhaupt, es ist doch sinnlos, ich vergaß, die Straßenbahn fährt jetzt nicht mehr!
    Wo soll ich hin? Wo soll ich hin? Wo soll ich hin? Wohin?

    Lalalalalala, lalalalalala, lalalalalala, lalalalalala, la

    Ich seh uns dann im Keller sitzen, still und starr im Magen schwach,
    die Kinder heulen: gleich kommt der Knall, Ängste werden in mir wach,
    Bilder steigen hoch in mir, das Fernseh’n zeigte viele Dokumentationen:
    Japan ’45, so viele Kriege, wie konnte man sich nur daran gewöhnen!
    Jetzt ist’s zu spät, es ist zu spät, es ist alles zu spät, zu spät!

    Ich fühl’ mich so allein, so allein, so verraten, so verkauft,
    wir kommen nie mehr raus hier, wer rettet jetzt noch seine Haut?
    Wer hat bloß ein Interesse an diesem Spektakel, wer hat es inszeniert?
    Wer füllt sich damit seine Kassen, erntet Macht oder Ruhm oder Sympathie?
    Wir nicht, wir hier unten sicher nicht,
    wir nicht, wir nicht!
    Lalalala, …

    Nennt mich jetzt nicht “Spinner” oder “Terrorist” oder “pessimistischer Träumer”,
    es ist doch alles halb so schlimm, ich sänge ja völlig absurde Reime!
    Doch ich liebe das Leben, und ich kann den Gedanken nicht mehr ertragen,
    es könnte jemand mit der Möglichkeit spielen, es eines Tages in die Luft zu jagen.
    Hört auf! Hört endlich auf! Hört doch auf! Hört auf!

    Wollt ihr wissen, wovon ich träume,
    wenn ich mit meinen Kindern spiele, wenn ich die Wohnung aufräume?
    Ja, ich liebe das Leben, und ich will die Hoffnung noch nicht begraben,
    wir könnten es lernen, uns endlich zu vertragen!
    Endlich mal, endlich mal,
    einmal, endlich mal, einmal!
    Lalalalalala, lalalalalala, lalalalalala, jetzt!
    Lalalalalala, lalalalalala, lalalalalala, jetzt! ………

    Text und Musik: Gery De Stefano 1982
    CD “Schlüssel in der Hand” 2022

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  • Lieder und ihre Geschichte

    Hier die Reihenfolge der Lieder, deren Entstehungsgeschichte ich bisher aufgeschrieben habe, mit komplettem Text, Akkorden und einer mp3 Aufnahme.
    – Hoffnung
    Mutter Henne (Kinderlied)
    Neue Augen
    Die Wattegeneration
    Atmen
    Warnung
    Der Regenbogen

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  • Hoffnung

    Mit diesem Lied, das ich im Dezember 1970 geschrieben habe, möchte ich euch erzählen, was für mich die Weihnachtserzählung bedeutet und warum ich die Hoffnung nicht verliere.

    Ich hatte durch die Erfahrungen, Verhaltensweisen und Erzählungen meiner schwer von Krieg und Vertreibung traumatisierten Mutter während und nach dem 2. Weltkrieg, sowie als Schülerin der Nachkriegsgeneration im Unterricht, alle Schrecken und Verbrechen von Nazi-Deutschland vor Augen bekommen, an wem und wo auch immer.
    Ich wußte schon als Kind, was Krieg und verblendete Ideologien in den Menschen und der Gesellschaft anrichten.

    Später habe ich als Ergotherapeutin viele Jahre lang in einer akutgeriatrischen Klinik mit alten und sehr alten Menschen gearbeitet. Es gab kaum einen meiner Patienten, der nicht vom letzten Weltkrieg gezeichnet war.

    1970 war ich 16 Jahre alt.
    So wie die Studenten der 68er waren auch wir Schüler sehr sensibel für die politischen Ereignisse in der Welt, und das Elend an den Bevölkerungen wurde nicht verdrängt.
    Im Gegenteil. Wir fragten uns, warum immer wieder “Krieg” und “Militär” als Problemlösung angesehen wird.

    Die Vorstellung, dass Jesus in vergleichbaren Umständen wie heute zur Welt kam, beschäftigte mich sehr. Die Ängste, Sorgen und Entbehrungen der heiligen Familie damals wurden für mich so realistisch, dass ich sie mir in Vietnam, Bangladesch oder anderen Orten vorstellte – in Kriegen, die 1970 akut waren (s. Liste unten).

    Die Fotos in der Zeitung oder im Fernsehen von Menschen in den Krisenorten wurden für mich Fotos vom “Antlitz” Jesu. Ihn mir heute dort, mittendrinn, vorzustellen, hat mich getröstet und noch entschiedener auf Seinen Weg geführt: uneingeschränkt, gewaltfrei an den Frieden zu glauben und dafür zu leben. Wie kann ich auf die Idee kommen, dem Jesukind im Nächsten etwas anzutun?

    Und so ist es für mich bis heute geblieben,

    HOFFNUNG

    Einsam, ohne Geld und Nahrung,
    ohne Haus und Kleidung
    kam er einst zu uns.
    ohne jede Erwartung,
    nur um uns zu lieben
    in jener dunklen Nacht.

    Doch ein Stern hat geschienen,
    zeigte die Hoffnung an,
    die Hoffnung zeigte er an.

    Auch heute noch gibt es solche Nächte,
    in jedem Teil der Erde,
    in Dunkelheit und Not,
    auch heute gibt es Haß und Kriege,
    Tod und Hungersnöte,
    die wir nicht begreifen können.

    Doch ein Stern hat geschienen…

    Ihn, der damals geboren,
    können wir heut’ finden
    in jedem Teil der Welt.
    In allen Schmerzen dieser Erde
    finden wir sein Antlitz
    mitten unter uns.

    Seine Gegenwart unter uns
    können wir nicht vergessen,
    vergessen wir nie, vergessen wir nie.

    Text und Musik Gery De Stefano
    Aufnahme LP “Lieder aus meinem Leben”

    Im Jahr 1970, also als ich das Lied schrieb, gab es aktuell folgende Kriege, Bürgerkriege oder andere gewaltsame Konflikte, die in Deutschland bekannt und erwähnt wurden. Manche von diesen dauern bis heute an:
    Vietnam – USA 1955-1975 (ca. 2 Mio Tote)
    Namibia – Südafrika 1960-1989 Befreiungskrieg
    Guatemala – Bürgerkrieg 1960-1996 (bis zu 250.000 Tote und “Verschwundene”)
    Eritrea – Äthiopien Befreiungskrieg 1961-1991 (ca. 223.000 Tote)
    Angola/ Portug. Guinea/Mosambik – Portugal Befreiung
    dann Angola – Bürgerkrieg nach Kolonialzeit (ca. 500.000 Tote) 1961-1974
    Jemen – Bürgerkrieg Nordjemen-Südjemen 1962-1970
    Kolumbien – Bürgerkrieg 1964-2016 (mind. 218.000 Tote und 25.000 “Verschwundene”)
    Nordirland – England 1969-1997
    Bangladesch (Ostpakistan) – West-Pakistan 1970-1971 (bis zu 3 Mio. Tote)
    Biafra (Provinz Nigerias)- Nigeria 1967-1970 Bürgerkrieg (bis zu 1,2 Mio Tote)
    Baskenland – Spanien Bürgerkrieg 1968-1979

    Quellen Wikipedia

    Und heute?

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  • Mutter Henne

    Auf der Suche nach neuen Kinderliedern für meine vier Kinder stieß ich auf italienische MC’s mit Liedern von Daniele Ricci und Massimo Fazzini. Zunächst übersetzte ich sie wörtlich, dann in lyrische, d.h. singbare Weise.
    Zum Schluß übten ich sie mit Kindern ein und nahmen sie mit der von Daniele und Massimo zur Verfügung gestellten Playback-Version im Studio auf.
    Anfangs hatten auch wir diese als MC’s produziert, später in Eigenproduktion als CD.

    MUTTER HENNE

    Musik: M.Fazzini/D. Ricci, Text: Gery De Stefano
    Es singen Miriam und Gery De Stefano
    alle Rechte bei den Autoren
    Veröffentlich in Eigenproduktion MC “Stell dir vor…”

    1. Unsre gute Mutter Henne
    macht mit ihren kleinen Küken
    einen Ausflug in den Wald,
    hört nur wie ihr Lied erschallt:

    Coccodé, coccodé, piep, piep,
    ich hab meine Familie lieb!
    Coccodé, coccodé, piep, piep,
    wie schön, dass es euch gibt!

    2. Doch ein Küken war am Träumen,
    schaut nach oben zu den Bäumen,
    stolpert über einen Stein,
    kullert in den Graben rein!

    “Coccodé, coccodé, piep, piep,
    wo ist denn mein kleines Küken?
    Coccodé, coccodé, piep, piep,
    Wird es den Ausweg finden?
    Coccodé, coccodé, piep, piep,
    ach, wie ist der Graben tief!
    Coccodé, coccodé, piep, piep,
    alleine schaft’s das nie!”

    3. Mutter Henne kann nicht warten,
    klettert in den tiefen Graben,
    nimmt die and’ren Küken mit,
    führt sie sicher Schritt für Schritt.

    “Coccodé, coccodé, piep, piep,
    kleines Küken, brauchst nicht schrei’n!
    Coccodé, coccodé, piep, piep,
    du bist nicht mehr allein.
    Coccodé, coccodé, piep, piep,
    komm zu mir an meine Seite.
    Coccodé, coccodé, piep, piep,
    gemeinsam geh’n wir weiter.”

    4. Mutter Henne steigt nach oben,
    bis sie steht auf festem Boden,
    ihre Kinder hinterher,
    jetzt fehlt kein’s der Küken mehr!

    “Coccodé, coccodé, piep, piep,
    ich weiß jetzt wie das geht,
    coccodé, coccodé, piep, piep,
    wenn einer für den andern lebt,
    coccodé, coccodé, piep, piep,
    und ist einer hingefallen,
    coccodé, coccodé, piep, piep,
    braucht er die Hilfe von uns allen!”

    Alle Zeichnungen: Gery De Stefano

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  • Neue Augen

    Was sehe ich? Sehe ich das Frauengesicht oder den Saxofonspieler?
    Was höre ich? Nur die lauten Stimmen oder auch die leisen Zwischentöne?
    Was habe ich im Herzen?

    Die Uroma, die mit uns im Haus lebte, war gestorben, und unsere Kinder wollten wissen, was denn “tot” bedeutet. Als Mensch mit einer medizinischen Ausbildung erklärte ich in aller Ruhe die physiologischen Prozesse beim Sterben, was passiert, wenn das Herz aufhört zu schlagen.
    Wir wurde alle immer trauriger dabei.
    Ich fragte die Kinder, ob sie wissen wollen, was ich wirklich glaube. Ja, das wollten sie!

    Ich sagte ihnen, dass ich überzeugt bin, dass Gott uns nach unserem Tod neue Augen geben wird, dann können wir das sehen, was er sieht. Und auch neue Ohren, damit wir das hören, was er hört. Und er sieht, dass reiche Leute innerlich vielleicht ganz armselig sind, und dass die leisen Stimmen von ihm nicht überhört werden.

    Die Stimmung unter uns wurde immer besser bei diesen Gedanken, immer froher. Eines unserer Kinder aber wollte nicht warten auf irgendwann und forderte sofort, auf der Stelle, neue Augen! Ich musste zunächst fast lachen und fand diesen Wunsch einfach nur süß. Doch dann wurde mir sein Wunsch immer deutlicher, immer realistischer, und ich sagte, dass auch ich den Wunsch habe, jetzt sofort mein Leben und was mir begegnet anders zu sehen, anders zu hören, anders mit dem Herzen zu erleben. Das war schon ein toller Augenblick!

    Das Beste aber kam für mich am nächsten Abend: ich rief die Kinder zum Abendessen. Normalerweise musste ich mehrmals rufen, bis sie reagierten, doch heute kam das Kind, das gestern auf der Stelle die neuen Augen wollte, sofort in die Küche. Ich war überrascht und habe es gelobt. Doch es meinte nur – und zeigt dabei auf seine Ohren – “ich habe ja meine neuen Ohren an!”

    NEUE AUGEN

    Ich habe eines nachts geträumt ich hätte neue Augen.
    Ich sah damit die ganze Welt und nichts blieb mir verborgen.
    Erbärmlich wurden die Paläste, war’n nicht länger golden, die Stolzen trugen Masken nur, die Coolen war’n voller Sorgen.

    Ich habe eines nachts geträumt ich hätte neue Ohren.
    Ich hörte alles auf der Welt und nichts blieb mir verborgen.
    Die leisen Stimmen wurden laut, die lauten aber schwiegen,
    und das, was man oft “Wahrheit” nennt, zeigte sich mir voller Lügen.

    Ich habe eines nachts geträumt ich hätte neue Arme.
    Die fassten bald die ganze Welt und ließen nichts mehr fallen.
    Sie wurden stark, sie wurden lang, sie teilten aus zum Geben,
    sie packten zu, bekamen Schwung: halt dich nur fest! Ich kann dich mit mir ziehen.

    Ich habe eines nachts geträumt ich hätt’ein neues Herz –
    Das schlug und regte sich in mir, fühlt Freude, fühlt den Schmerz.
    Mein altes Herz schien mir aus Stein, empfänglich nur für Plunder.
    Andere passten da nicht rein, und wenn, war’s nur zum Schein.

    Ich bin dann morgens aufgewacht und war unheimlich froh!
    Ich nahm die neuen Augen wahr, Arme, Herz und Ohr,
    und Tag für Tag such ich jetzt sie, tausch’ sie gegen die alten,
    und mehr und mehr begreife ich: du schenkst sie mir zum Behalten!

    Text,Musik, Gitarren: Gery De Stefano, auf CD “Schlüssel in der Hand”,
    Saxofon: Pierre De Stefano

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  • Die Wattegeneration

    Nach dem internationalen Festival “Genfest” 1975 in Rom und dem nationalen Genfest in West-Berlin 1976, haben wir “Die Wattegeneration” geschrieben im Rahmen der Vorbereitung von vier großen Jugendtreffen 1977 in Hannover, Karlsruhe, Bochum und München.

    Genfest Westberlin Ostern 1976

    Es war ein Gemeinschaftswerk, basierend auf einer Idee von Jutta Kühn. In der Vorbereitung entwickelten wir gemeinsam ein Kabarett-Programm, das satirisch gesellschaftliche Probleme und Verhaltensweisen darstellte, die wir um uns herum wahrnahmen.
    Der Titel: “Kanapee-Ballade”.
    Eine Moritaten-Sängerin – angelehnt an die Dreigroschenoper – begleitete auf einem Sofa sitzend singend verschiedene kritikwürdige Szenen aus der Welt der Wirtschaft, der Politik, der Pädagogik und der Kunst, wobei sich alles um die jeweils günstigste Sitzgelegenheit (vom Direktorensessel bis zur Holzbank) drehte. Anschließend versuchten wir mit unseren eigenen Erfahrungen und Überzeugungen darauf zu antworten.
    Eingeleitet wurde dieses Kabarett mit “die Wattegeneration”.

    Foto von 1977

    DIE WATTEGENERATION

    Wir sind die Watte-, Watte-, Watte-Generation, sicher wisst ihr das schon! (2x)
    Wir wissen woher wir kommen: von Eltern natürlich.
    Wir wissen warum wir da sind: sind nun mal da,
    nicht aber wohin wir gehen – ach wohin denn schon?
    Sicher, wir haben viel, viel, viel, viel,
    aber ein Ziel – das haben wir nicht.
    Doch wir können vie, viel, viel, viel:
    wir können leben, wir können lieben, wir können hoffen: das ist nicht schwer.
    Wir können leben, wir können lieben, wir können hoffen, leben, lieben, hoffen: das ist nicht schwer!

    Leben: sehr einfach!
    Morgens einen Schluck Kaffee. Die Pflicht tun. Das Geld monatlich rauswerfen oder sparen, je nach Lust und Laune.
    Einmal pro Jahr die Weihnachtsgans essen und Urlaunbspläne schmieden.

    Lieben: ach, reine Gewohnheit!
    Klar, meinen Dackel, meine vier Wände, meine Stereoanlage und meine Plattensammlung. Tolle Feste feiern und nette Leute kennenlernen. Diskussionen führen – endlos und ergebnislos.

    Hoffen: ja, das können wir auch!
    Auf weniger Arbeitszeit, auf Beförderung, auf einen guten Abschluss, dass morgen schönes Wetter wird, dass der oder die anruft, dass der Bus kommt, dass die Ampel endlich auf grün schaltet!

    Wir sind die Watte-, Watte-, Watte-Generation, sicher wisst ihr das schon! (2x)
    Doch wir vergessen zu fragen, zu suchen, zu kämpfen. Wir wollen zufrieden sein und setzen dafür alles ein. (2x)

    “Watte”, was ist das? Weiches, flaumiges Zeug, nicht zu greifen. “In” sein und dabei sein. Die neuste Frisur haben und die ältesten Jeans tragen. Tolerant sein und bequem leben: leicht, leicht, leicht, leicht, leicht, leicht, wie Watte so weich.

    Ich habe noch etwas zu sagen. Da meinte doch diese Woche einer zu mir: “Also ich sage immer zu allem Ja” und fragte mich, was denn eigentlich “nein” bedeutet.

    Text: Gery De Stefano u. Jutta Kühn,
    Musik Gery De Stefano
    1977 / 2022 CD “Schlüssel in der Hand”

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  • Atmen

    Ich hatte Probleme mit meinem Brustkorb, der Rücken tat weh, ich konnte nicht richtig atmen. Ich ging zu meiner Physiotherapeutin, die mich untersuchte und mir dann ganz trocken sagte: “Weißt du, du musst nicht immer nur einatmen, sondern auch ausatmen.”
    Das hat mich sehr getroffen, denn ich spürte, dass dies für mein ganzes Leben gilt: mal ein, mal aus; mal aktiv, mal ruhen; mal geben, mal nehmen …
    Daraus ist das folgrende Lied entstanden. Es läd zum Mitatmen ein!

    ATMEN

    Einmal fange ich an,
    einmal höre ich auf,
    einmal steig ich hinab
    und einmal steig ich hinauf,
    einmal bin ich allein,
    einmal sind wir zu zwein,
    einmal mittendrinn stehn,
    einmal einsam weitergehn …
    ein – aus, ein – aus

    einmal läuft alles rund,
    einmal ist alles bunt,
    einmal rot, gelb oder blau,
    einmal einfach nur schwarz oder grau,
    einmal geht’s weit hinaus,
    einmal bleib ich zuhaus’,
    einmal such ich das Neue,
    einmal halt ich dem Alten die Treue …
    ein – aus, ein – aus

    einmal geht’s gradeaus,
    einmal kenn’ ich mich aus,
    einmal geht’s um zwanzig Ecken,
    einmal muss ich neue Wege entdecken,
    einmal sprüh ich voll Leben,
    einmal kann ich viel geben,
    einmal fühl ich mich leer,
    einmal kann ich nicht mehr …
    ein – aus, ein – aus

    Was ist gut, was ist besser?
    Was ist schön, was ist schlechter?
    Soll ich bleiben oder gehn?
    Soll ich wegschaun oder hinsehn?
    Ich glaub alles hat sein’ Sinn,
    ich will ganz da sein, wo ich grad bin,
    ich muss nicht mehr eine andre sein,
    ich atme aus und atme ein …
    yein – aus, ein – aus, ein – aus

    Text und Musik: Gery De Stefano 2021, auf CD “Schlüssel in der Hand”,
    Cello Christian Kewitsch, Saxofon Pierre De Stefano

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  • Warnung

    Foto: privat

    Ich wartete auf die Lieferung meiner ersten eigenen Waschmaschine und geriet plötzlich in Krise: ich befürchtete, den Gipfel der Spießigkeit erreicht zu haben.

    Ich hatte so hohe Ideale, suchte ein alternatives Leben außerhalb der Konsumgesellschaft, bemühte mich um ein ökologisches Verhalten, einfach und bescheiden, ich hatte einen sozialen Beruf gewählt…

    Ich wollte den Kauf der Waschmaschine schon wieder rückgängig machen, denn sie schien nicht zu meinem Lebensstil zu passen.

    Da wurde mir bewusst, dass auch hohe Ideale oder die beste Gesellschaftskritik ein einfaches „Gut-Mensch-Image“ werden können, ein oberflächlicher Anstrich, „Schall und Rauch“, wenn nicht die Liebe in „Tat und Wahrheit“ dahinter steckt. Es sind nicht immer die großen Entscheidungen, die etwas im Leben verändern, sondern manchmal die ganz kleinen, geheimen, inneren…

    WARNUNG

    1.
    Ich hab heut Abend ‘ne Entdeckung gemacht,
    ist fast zu simpel um sie euch zu erzählen,
    doch mich hat sie beinah umgebracht:
    es war ‘ne Wende von hundertachtzig Grad.
    Ihr könnt mir glauben, wenn ihr wollt, könnt diskutieren,
    wenn ihr’s gebrauchen könnt, so könnt ihr’s vielleicht nachvollzieh‘n.

    2.
    Ich war der Meinung, ich hätte das Leben gefressen,
    und hab bestimmt nicht nur im Lehnstuhl gesessen
    Habe mir auch ‘nen sozialen Job gewählt,
    hab Dreck und Leid geseh‘n und hab’s auch angepackt.
    Ich fühlte mich so an der Basis, war engagiert,
    war nie am grünen Tisch, hab‘ niemals Theorien geführt.

    3.
    Meine Wohnung ist in einem Arbeiterrevier.
    Ich dachte, das genügt, um Bourgeoisie zu meiden.
    Die Möbel drinn‘ sind second hand und primitiv,
    man sollte merken, dass ich Reichtum echt nicht leide.
    Und ich war stolz auf diese Lösung, gab oft an damit,
    ich wollte Spießertum vermeiden, doch wurde selber fett.

    4.
    Vor allem fand ich mich progressiv,
    genoss die Janis Joplin und Pink Floyd.
    Habe nie anderes als Levis-Jeans getragen,
    mein Mann ist einer mit Bart und langen Haaren.
    Ich dachte fast, ich wär in allem schon ein Revolutionär,
    ich dachte fast, viel fehlte mir nun auch nicht mehr:

    5.
    Ich warne euch, man ist schnell e-tabliert,
    viel schneller als man denkt und viel gemeiner!
    Man hat ‘ne gute Meinung, äußert viel Kritik,
    man meint man hätte den großen Überblick,
    doch so im Tiefsten, so im Innern, wenn du ehrlich bist,
    dann ist’s nichts weiter als ‘ne große Selbstgefälligkeit.

    6.
    Ich hab heut angefangen anders zu leben,
    nicht äußerlich, denn das hat nichts zu sagen,
    ich hab bloß angefangen mich zu fragen,
    wie viel in meinem Leben echt und wahr ist:
    ob meine Liebe wirklich „Liebe“ ist,
    ob es nicht nur schöne Worte sind,
    oder nicht nur ein Image ist,
    ob sie konkret bis ins Letzte ist,
    ob sie stärker als das Negative ist,
    ob sie stärker als der Tod ist!

    7.
    Ich hab heut angefangen anders zu leben,
    nicht äußerlich, denn das hat nichts zu sagen,
    ich hab bloß angefangen mich zu fragen,
    wie viel in meinem Leben echt und wahr ist.

    Text und Musik Gery De Stefano 1977, veröffentlicht auf der CD “Schlüssel in der Hand”, Arrangement Olaf Dung.

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  • Der Regenbogen

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    Foto: Lina De Stefano

    Wir waren auf dem Weg in den Urlaub, nach Süditalien. Wir fuhren auf einer einsamen Landstraße, die Sonne war untergegangen und über uns erstreckte sich das phantastische Bild eines Sternenhimmels, mit der Milchstraße und all den wunderbaren Sternbildern, die ich als deutsche Großstädterin so gut wie nie zu sehen bekomme. Ich war überwältigt. Um diese Pracht sehen zu können musste erst die Sonne, das Tageslicht, “untergehen”.

    Ich dachte an meine Suche nach dem Schönen, dem Heilen in meinem Leben nach einer langen schmerzhaften Lebensphase. Ich hatte Angst, nie mehr froh zu werden. In dieser Nacht unter dem Sternenhimmel dachte ich, dass wir oft das Gute und Schöne erst dann richtig wahrnehmen und genießen können, wenn es vordergründig verschwunden scheint.

    Ich dachte da auch im Besonderen an die Erfahrung der Nähe Gottes, die ich mit der Metapher „Trost“ benenne, nach der ich mich sehne, die ich aber besonders dann wahrnehmen kann, wenn ich Schwierigkeiten, Schmerz oder Dunkel erlebe.

    DER REGENBOGEN

    Ich möcht so gerne einen Regenbogen sehn,
    mit seinem Licht, mit seinen Farben.
    Ich werde gleich noch in den Garten gehen,
    ich werd ihn suchen, auf ihn warten.
    Doch ich muss warten bis der nächste Regen kommt,
    muss warten bis Gewitter toben,
    Erst nach der Flut hab ich die Chance ihn zu sehn,
    ich atme auf und schau nach oben.

    Ich möcht so gern den Sternenhimmel wieder sehn,
    den großen Bär’n und die Plejaden,
    sie sind so sanft und scheinen doch unendlich fern,
    im Universum kann ich kann atmen.
    Doch ich muss warten bis die Sonne untergeht,
    muss warten bis zur Dunkelheit.
    Erst wenn es Nacht wird kann ich ihren Schimmer sehn,
    ich flieg davon, mein Geist wird weit.

    Ich möcht so gern von Dir getröstet werden,
    Dein Trost berührt all meine Sinne,
    ist warm und zart, ich spüre dann mein Leben.
    Bist Du bei mir, dann halt ich inne.
    Doch ich muss warten bis der nächste Regen kommt,
    muss warten, um dich zu versteh’n.
    Erst wenn es Nacht wird, hat dein Trost einen Sinn
    und ich lern aufsteh’n und wieder geh’n.

    Text und Musik Gery De Stefano 2006, veröffentlicht auf der CD “Schlüssel in der Hand” Arrangement Olaf Dung, Cello, Christian Kewitsch

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