Auf dieser Seite möchte ich euch nach und nach die Geschichten zu den einzelnen Liedern erzählen, was dahinter steckt und wie sie entstanden sind. Vielleicht ist dies interessant für euch, aber noch wichtiger ist es mir, wenn ihr selbst eure eigenen Inspirationen und Interpretationen beim Hören findet.
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Tag für Tag
1980: Nach vielen Jahren voller Aktivitäten, mit Reisen, Auslandsaufenthalt, neuem Beruf und sozialem Engagement, fand ich mich plötzlich in einer neuen Stadt, mit einem Kleinkind und in Elternzeit allein zu Hause wieder. Auch wenn dies selbstgewählt war, so nervten mich doch die immer gleichen, monotonen Tagesabläufe. Ich sehnte mich nach meinem bisherigen, aufregenden Leben und dachte viel zu verpassen, bis ich mich fragte, ob ich vielleicht nur blind bin und das Beste an mir unbemerkt vorbeizieht …
Tag für Tag
1.
Tag für Tag vergeht die Zeit, Tag für Tag verwehen meine Träu- me. Große Dinge will ich tun, ich warte auf die große Chance zu le- ben.
Ich hab sovieles in mir, ich möcht’ es sagen, will es tun. Doch im täglichen Hin und Her fehlt mir das Publi kum: was zählt denn im Le- ben? Was wird es mir ge- ben? 2. Ich suche Selbstverwirklichung und denke, es wird der große Tag schon kommen, an dem ich endlich leben kann, frei und stark und ohne Angst und Zwänge.
Doch ich bin blind genug, um eins nicht zu seh’n: Jetzt, diesen Augenblick, bevor er entflieht! Nur jetzt kann ich leben! Ich muss es nur sehen!3. Heute ist der schönste Tag, einzigartig, unverwechselbar! Freude kommt, ein Schmerz zieht vorbei, hier ein Glück, dort Tränen, wie ein Spiel.
In meinem Leben gibt’s nur eine Gelegenheit, und die ist heute da, morgen ist sie vorbei, morgen ist es zu spät, weil das Leben weitergeht.4. Das wird meine Melodie, Augenblick für Augenblick mein Lied: Freude kommt, ein Schmerz zieht vorbei, nimm und gib, ich schätze diese Zeit.
Wie reich mein Leben sein kann hab’ ich jetzt geseh’n: ob es groß oder unbedeutend wird liegt an mir. Nur jetzt kann ich leben, ich muss es nur sehen. Nur jetzt kann ich leben, ich will es verstehen.Text und Musik Gery De Stefano 1980
Aufnahme LP “Gery, Lieder aus meinem Leben”Kommentarbereich
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Lieder und ihre Geschichte
Hier die Reihenfolge der Lieder, deren Entstehungsgeschichte ich bisher aufgeschrieben habe, mit komplettem Text, Akkorden und einer mp3 Aufnahme.
– Tag für Tag
– Meine Seele hat es eilig
– Hoffnung
– Mutter Henne (Kinderlied)
– Neue Augen
– Die Wattegeneration
– Atmen
– Warnung
– Der RegenbogenKommentarbereich
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Meine Seele hat es eilig
Nicht nur Geburtstage sind ein Anlass, über das eigene Leben – oder das Leben als solches – nachzudenken. Aber auch.
Mich hat ein Text tief beeindruckt, den ich fand: eine tiefgründige Reflexion über das, was wichtig ist im Leben. Geschrieben wurde er von einem brasilianischen Schriftsteller und Musikethnologen, Mário de Andrade. Ich nahm zunächst an, er sei Zeitgenosse, weil seine Gedanken so zeitgemäß sind. Doch er starb bereits 1945. Unglaublich, wie aktuell er reflektierte!
Ich habe aus seinen Gedanken ein Lied gemacht, seine Worte in eine lyrische Form gebracht und mit einer Melodie versehen.
Meine Seele hat es eilig
1. Ich hab meineJahre gezählt und dabei festgestellt, dass ich weniger Zeit zum Leben habe als ich bisher ge lebt hab.
Ich fühl’ mich wiedieses Kind, das eine Tüte Bonbons gewinnt: die ersten isst es gern, doch erst als sie zu Ende geh’n, beginnt es sie zu ge nießen. Ich hab’ keine
Zeit für endlose Konfe renzen zum Besprechen von Ver fahren und Problemen und man weiß schon, es gibt keine Konse quenzen.
Ich hab’ keineZeit mich mit Mittelmaß abzu geben, und aufgeblas’ne Menschen, die trotz ihres Alters nicht mehr wachsen, zu er tragen. 2. Ich vertrage auch nicht mehr Manipulierer und Opportunisten, und die Neider, die versuchen sich Talente und Erfolge and’rer zu bemächtigen.
Zu kurz ist meine Zeit, um nur Überschriften zu diskutieren. Meine Seele ist in Eile, die Bonbons geh’n zur Neige, ich such’ das was zählt im Leben.Ich möcht’ mit Menschen sein, die einfach menschlich leben, die über ihre Fehler lachen und die trotz Erfolge nicht überheblich werden. Menschen, die nicht vor Verantwortung flieh’n, die zur Würde and’rer Menschen steh’n, die für sich Gerechtigkeit und Wahrheit wählen: das macht das Leben lebenswert.
3. Ich suche Menschen, die versteh’n, die Herzen and’rer zu erreichen, die durch harte Lebensschläge lernten sanft die Seele zu berühren um zu wachsen.
Ja, ich hab’ es eilig, ich hab’ es eilig, so intensiv zu leben, wie es erst die Reife möglich macht.Ich verschwende keins der Bonbons mehr, die ich noch habe bis hierher. Sie sind köstlicher, ich weiß, als alle, die ich bisher probiert hab’.
Das ist mein Ziel: das Ende zufrieden zu erreichen, im Frieden mit mir, mit meinen Lieben und mit meinem Gewissen.4. Wir haben zwei Leben, und das Zweite beginnt, wenn du erkennst: du hast nur eines.
Wir haben zwei Leben, und das Zweite beginnt, wenn du erkennst – richtig erkennst! – du hast nur eines.Text und Musik Gery De Stefano, CD “Schlüssel in der Hand”, Sax: Pierre De Stefano
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Wovon ich träume
Die aktuellen kriegerischen Eskalationen in Europa, Nahost und überhaupt in der ganzen Welt beschäftigen mich sehr, bedrücken mich und wühlen mich auf. Wie ich schon zum Lied “Hoffnung” geschrieben habe, bin ich groß geworden mit den Erzählungen meiner Mutter und ihrer Familie – später auch durch meine geriatrischen Patienten – , was “Krieg, Flucht, Vertreibung” bedeutet und mit den Menschen macht.
Irgendwann in den 80ern war ich mit unseren Kindern zu Hause in Bonn in der Küche und höre dabei Radio. Die Sendung wurde durch eine Warnmeldung von der Polizei unterbrochen: Ein US-amerikanisches Militärflugzeug, ein Starfighter, hatte während eines Übungsfluges im Raum Koblenz – Eifel – Bonn seine Übungsbombe, eine Pershingrakete, verloren, zwar ohne den möglichen atomaren Sprengkopf, aber immerhin… Die Bevölkerung in diesem Bereich wurde nun gebeten danach Ausschau zu halten und gegebenenfalls Polizei oder Feuerwehr zu informieren …
Im ersten Moment habe ich laut gelacht. Dann habe ich das folgende Lied geschrieben.
WOVON ICH TRÄUME
Wollt ihr wissen, wovon ich träume, wenn ich mit meinen Kindern spiele, wenn ich die Wohnung auf räume?
Ich träum’nicht vom Regen- bogen, fernen Ländern, gold’nen Sternen, nicht davon ein Star zu sein, nicht von Ferien in den Bergen,
nichtmehr, schon lang nicht mehr, nicht mehr, nicht] mehr! Ich hör das Radio. Da die undenkbare Warnung:
es fliegt so ‘ne Rakete auf unsre Stadt zu, ohne Erbarmen!
Man zählt ihre Wirkung in Megatonnen, die Opfer in Millionen.
War es ein Versehen? Wurde sie gezündet in aggressiver Laune?
Wer fragt jetzt schon! Wer fragt jetzt schon!
Wer fragt schon? Wer schon?Ich schnapp’mir die Kinder: wir müssen hier raus!
Wir müssen schnell zur Straßenbahn oder sonst wie aus dieser Stadt heraus!
Der Kleine braucht frische Windeln, der Große stellt sich quer,
und überhaupt, es ist doch sinnlos, ich vergaß, die Straßenbahn fährt jetzt nicht mehr!
Wo soll ich hin? Wo soll ich hin? Wo soll ich hin? Wohin?Lalalalalala, lalalalalala, lalalalalala, lalalalalala, la Ich seh uns dann im Keller sitzen, still und starr im Magen schwach,
die Kinder heulen: gleich kommt der Knall, Ängste werden in mir wach,
Bilder steigen hoch in mir, das Fernseh’n zeigte viele Dokumentationen:
Japan ’45, so viele Kriege, wie konnte man sich nur daran gewöhnen!
Jetzt ist’s zu spät, es ist zu spät, es ist alles zu spät, zu spät!Ich fühl’ mich so allein, so allein, so verraten, so verkauft,
wir kommen nie mehr raus hier, wer rettet jetzt noch seine Haut?
Wer hat bloß ein Interesse an diesem Spektakel, wer hat es inszeniert?
Wer füllt sich damit seine Kassen, erntet Macht oder Ruhm oder Sympathie?
Wir nicht, wir hier unten sicher nicht,
wir nicht, wir nicht!
Lalalala, …Nennt mich jetzt nicht “Spinner” oder “Terrorist” oder “pessimistischer Träumer”,
es ist doch alles halb so schlimm, ich sänge ja völlig absurde Reime!
Doch ich liebe das Leben, und ich kann den Gedanken nicht mehr ertragen,
es könnte jemand mit der Möglichkeit spielen, es eines Tages in die Luft zu jagen.
Hört auf! Hört endlich auf! Hört doch auf! Hört auf!Wollt ihr wissen, wovon ich träume,
wenn ich mit meinen Kindern spiele, wenn ich die Wohnung aufräume?
Ja, ich liebe das Leben, und ich will die Hoffnung noch nicht begraben,
wir könnten es lernen, uns endlich zu vertragen!
Endlich mal, endlich mal,
einmal, endlich mal, einmal!
Lalalalalala, lalalalalala, lalalalalala, jetzt!
Lalalalalala, lalalalalala, lalalalalala, jetzt! ………Text und Musik: Gery De Stefano 1982
CD “Schlüssel in der Hand” 2022Kommentarbereich
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Hoffnung
Mit diesem Lied, das ich im Dezember 1970 geschrieben habe, möchte ich euch erzählen, was für mich die Weihnachtserzählung bedeutet und warum ich die Hoffnung nicht verliere.
Ich hatte durch die Erfahrungen, Verhaltensweisen und Erzählungen meiner schwer von Krieg und Vertreibung traumatisierten Mutter während und nach dem 2. Weltkrieg, sowie als Schülerin der Nachkriegsgeneration im Unterricht, alle Schrecken und Verbrechen von Nazi-Deutschland vor Augen bekommen, an wem und wo auch immer.
Ich wußte schon als Kind, was Krieg und verblendete Ideologien in den Menschen und der Gesellschaft anrichten.Später habe ich als Ergotherapeutin viele Jahre lang in einer akutgeriatrischen Klinik mit alten und sehr alten Menschen gearbeitet. Es gab kaum einen meiner Patienten, der nicht vom letzten Weltkrieg gezeichnet war.
1970 war ich 16 Jahre alt.
So wie die Studenten der 68er waren auch wir Schüler sehr sensibel für die politischen Ereignisse in der Welt, und das Elend an den Bevölkerungen wurde nicht verdrängt.
Im Gegenteil. Wir fragten uns, warum immer wieder “Krieg” und “Militär” als Problemlösung angesehen wird.Die Vorstellung, dass Jesus in vergleichbaren Umständen wie heute zur Welt kam, beschäftigte mich sehr. Die Ängste, Sorgen und Entbehrungen der heiligen Familie damals wurden für mich so realistisch, dass ich sie mir in Vietnam, Bangladesch oder anderen Orten vorstellte – in Kriegen, die 1970 akut waren (s. Liste unten).
Die Fotos in der Zeitung oder im Fernsehen von Menschen in den Krisenorten wurden für mich Fotos vom “Antlitz” Jesu. Ihn mir heute dort, mittendrinn, vorzustellen, hat mich getröstet und noch entschiedener auf Seinen Weg geführt: uneingeschränkt, gewaltfrei an den Frieden zu glauben und dafür zu leben. Wie kann ich auf die Idee kommen, dem Jesukind im Nächsten etwas anzutun?
Und so ist es für mich bis heute geblieben,
HOFFNUNG
Einsam, ohne Geld und Nahrung, ohne Haus und Kleidung kam er einst zu uns. ohne jede Er wartung, nur um uns zu lieben
injener dunklen Nacht. Doch ein Stern hat ge schienen, zeigte die Hoffnung an,
dieHoffnung zeigte er an. Auch heute noch gibt es solche Nächte,
in jedem Teil der Erde,
in Dunkelheit und Not,
auch heute gibt es Haß und Kriege,
Tod und Hungersnöte,
die wir nicht begreifen können.Doch ein Stern hat geschienen…
Ihn, der damals geboren,
können wir heut’ finden
in jedem Teil der Welt.
In allen Schmerzen dieser Erde
finden wir sein Antlitz
mitten unter uns.Seine Gegenwart unter uns
können wir nicht vergessen,
vergessen wir nie, vergessen wir nie.Text und Musik Gery De Stefano
Aufnahme LP “Lieder aus meinem Leben”Im Jahr 1970, also als ich das Lied schrieb, gab es aktuell folgende Kriege, Bürgerkriege oder andere gewaltsame Konflikte, die in Deutschland bekannt und erwähnt wurden. Manche von diesen dauern bis heute an:
Vietnam – USA 1955-1975 (ca. 2 Mio Tote)
Namibia – Südafrika 1960-1989 Befreiungskrieg
Guatemala – Bürgerkrieg 1960-1996 (bis zu 250.000 Tote und “Verschwundene”)
Eritrea – Äthiopien Befreiungskrieg 1961-1991 (ca. 223.000 Tote)
Angola/ Portug. Guinea/Mosambik – Portugal Befreiung
dann Angola – Bürgerkrieg nach Kolonialzeit (ca. 500.000 Tote) 1961-1974
Jemen – Bürgerkrieg Nordjemen-Südjemen 1962-1970
Kolumbien – Bürgerkrieg 1964-2016 (mind. 218.000 Tote und 25.000 “Verschwundene”)
Nordirland – England 1969-1997
Bangladesch (Ostpakistan) – West-Pakistan 1970-1971 (bis zu 3 Mio. Tote)
Biafra (Provinz Nigerias)- Nigeria 1967-1970 Bürgerkrieg (bis zu 1,2 Mio Tote)
Baskenland – Spanien Bürgerkrieg 1968-1979Quellen Wikipedia
Und heute?
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Mutter Henne
Auf der Suche nach neuen Kinderliedern für meine vier Kinder stieß ich auf italienische MC’s mit Liedern von Daniele Ricci und Massimo Fazzini. Zunächst übersetzte ich sie wörtlich, dann in lyrische, d.h. singbare Weise.
Zum Schluß übten ich sie mit Kindern ein und nahmen sie mit der von Daniele und Massimo zur Verfügung gestellten Playback-Version im Studio auf.
Anfangs hatten auch wir diese als MC’s produziert, später in Eigenproduktion als CD.MUTTER HENNE
Musik: M.Fazzini/D. Ricci, Text: Gery De Stefano
Es singen Miriam und Gery De Stefano
alle Rechte bei den Autoren
Veröffentlich in Eigenproduktion MC “Stell dir vor…”1. Unsre gute Mutter Henne
macht mit ihren kleinen Küken
einen Ausflug in den Wald,
hört nur wie ihr Lied erschallt:
“Coccodé, coccodé, piep, piep,
ich hab meine Familie lieb!
Coccodé, coccodé, piep, piep,
wie schön, dass es euch gibt!“2. Doch ein Küken war am Träumen,
schaut nach oben zu den Bäumen,
stolpert über einen Stein,
kullert in den Graben rein!
“Coccodé, coccodé, piep, piep,
wo ist denn mein kleines Küken?
Coccodé, coccodé, piep, piep,
Wird es den Ausweg finden?
Coccodé, coccodé, piep, piep,
ach, wie ist der Graben tief!
Coccodé, coccodé, piep, piep,
alleine schaft’s das nie!”3. Mutter Henne kann nicht warten,
klettert in den tiefen Graben,
nimmt die and’ren Küken mit,
führt sie sicher Schritt für Schritt.
“Coccodé, coccodé, piep, piep,
kleines Küken, brauchst nicht schrei’n!
Coccodé, coccodé, piep, piep,
du bist nicht mehr allein.
Coccodé, coccodé, piep, piep,
komm zu mir an meine Seite.
Coccodé, coccodé, piep, piep,
gemeinsam geh’n wir weiter.”4. Mutter Henne steigt nach oben,
bis sie steht auf festem Boden,
ihre Kinder hinterher,
jetzt fehlt kein’s der Küken mehr!
“Coccodé, coccodé, piep, piep,
ich weiß jetzt wie das geht,
coccodé, coccodé, piep, piep,
wenn einer für den andern lebt,
coccodé, coccodé, piep, piep,
und ist einer hingefallen,
coccodé, coccodé, piep, piep,
braucht er die Hilfe von uns allen!”Alle Zeichnungen: Gery De Stefano
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Neue Augen
Was sehe ich? Sehe ich das Frauengesicht oder den Saxofonspieler?
Was höre ich? Nur die lauten Stimmen oder auch die leisen Zwischentöne?
Was habe ich im Herzen?Die Uroma, die mit uns im Haus lebte, war gestorben, und unsere Kinder wollten wissen, was denn “tot” bedeutet. Als Mensch mit einer medizinischen Ausbildung erklärte ich in aller Ruhe die physiologischen Prozesse beim Sterben, was passiert, wenn das Herz aufhört zu schlagen.
Wir wurde alle immer trauriger dabei.
Ich fragte die Kinder, ob sie wissen wollen, was ich wirklich glaube. Ja, das wollten sie!Ich sagte ihnen, dass ich überzeugt bin, dass Gott uns nach unserem Tod neue Augen geben wird, dann können wir das sehen, was er sieht. Und auch neue Ohren, damit wir das hören, was er hört. Und er sieht, dass reiche Leute innerlich vielleicht ganz armselig sind, und dass die leisen Stimmen von ihm nicht überhört werden.
Die Stimmung unter uns wurde immer besser bei diesen Gedanken, immer froher. Eines unserer Kinder aber wollte nicht warten auf irgendwann und forderte sofort, auf der Stelle, neue Augen! Ich musste zunächst fast lachen und fand diesen Wunsch einfach nur süß. Doch dann wurde mir sein Wunsch immer deutlicher, immer realistischer, und ich sagte, dass auch ich den Wunsch habe, jetzt sofort mein Leben und was mir begegnet anders zu sehen, anders zu hören, anders mit dem Herzen zu erleben. Das war schon ein toller Augenblick!
Das Beste aber kam für mich am nächsten Abend: ich rief die Kinder zum Abendessen. Normalerweise musste ich mehrmals rufen, bis sie reagierten, doch heute kam das Kind, das gestern auf der Stelle die neuen Augen wollte, sofort in die Küche. Ich war überrascht und habe es gelobt. Doch es meinte nur – und zeigt dabei auf seine Ohren – “ich habe ja meine neuen Ohren an!”
NEUE AUGEN
Ich habe eines nachts geträumt ich hätte neue Augen.
Ich sah damit die ganze Welt und nichts blieb mir verborgen.
Erbärmlich wurden die Paläste, war’n nicht länger golden, die Stolzen trugen Masken nur, die Coolen war’n voller Sorgen. Ich habe eines nachts geträumt ich hätte neue Ohren.
Ich hörte alles auf der Welt und nichts blieb mir verborgen.
Dieleisen Stimmen wurden laut, die lauten aber schwiegen,
und das, was man oft “Wahrheit” nennt, zeigte sich mir vollerLügen. Ich habe eines nachts geträumt ich hätte neue Arme.
Die fassten bald die ganze Welt und ließen nichts mehr fallen.
Siewurden stark, sie wurden lang, sie teilten aus zum Geben,
sie packten zu, bekamen Schwung: halt dich nur fest! Ich kann dich mit mirziehen. Ich habe eines nachts geträumt ich hätt’ein neues Herz –
Das schlug und regte sich in mir, fühlt Freude, fühlt den Schmerz.
Meinaltes Herz schien mir aus Stein, empfänglich nur für Plunder.
Andere passten da nicht rein, und wenn, war’s nur zumSchein. Ich bin dann morgens aufgewacht und war unheimlich froh!
Ich nahm die neuen Augen wahr, Arme, Herz und Ohr,
undTag für Tag such ich jetzt sie, tausch’ sie gegen die alten,
und mehr und mehr begreife ich: du schenkst sie mir zum Behalten! Text,Musik, Gitarren: Gery De Stefano, auf CD “Schlüssel in der Hand”,
Saxofon: Pierre De StefanoKommentarbereich
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Die Wattegeneration
Nach dem internationalen Festival “Genfest” 1975 in Rom und dem nationalen Genfest in West-Berlin 1976, haben wir “Die Wattegeneration” geschrieben im Rahmen der Vorbereitung von vier großen Jugendtreffen 1977 in Hannover, Karlsruhe, Bochum und München.
Genfest Westberlin Ostern 1976
Es war ein Gemeinschaftswerk, basierend auf einer Idee von Jutta Kühn. In der Vorbereitung entwickelten wir gemeinsam ein Kabarett-Programm, das satirisch gesellschaftliche Probleme und Verhaltensweisen darstellte, die wir um uns herum wahrnahmen.
Der Titel: “Kanapee-Ballade”.
Eine Moritaten-Sängerin – angelehnt an die Dreigroschenoper – begleitete auf einem Sofa sitzend singend verschiedene kritikwürdige Szenen aus der Welt der Wirtschaft, der Politik, der Pädagogik und der Kunst, wobei sich alles um die jeweils günstigste Sitzgelegenheit (vom Direktorensessel bis zur Holzbank) drehte. Anschließend versuchten wir mit unseren eigenen Erfahrungen und Überzeugungen darauf zu antworten.
Eingeleitet wurde dieses Kabarett mit “die Wattegeneration”.Foto von 1977
DIE WATTEGENERATION
Wir sind die Watte-, Watte-, Watte-Generation, sicher wisst ihr das schon! (2x)
Wir wissen woher wir kommen: von Eltern natürlich.
Wir wissen warum wir da sind: sind nun mal da,
nicht aber wohin wir gehen – ach wohin denn schon?
Sicher, wir haben viel, viel, viel, viel,
aber ein Ziel – das haben wir nicht.
Doch wir können vie, viel, viel, viel:
wir können leben, wir können lieben, wir können hoffen: das ist nicht schwer.
Wir können leben, wir können lieben, wir können hoffen, leben, lieben, hoffen: das ist nicht schwer!Leben: sehr einfach!
Morgens einen Schluck Kaffee. Die Pflicht tun. Das Geld monatlich rauswerfen oder sparen, je nach Lust und Laune.
Einmal pro Jahr die Weihnachtsgans essen und Urlaunbspläne schmieden.Lieben: ach, reine Gewohnheit!
Klar, meinen Dackel, meine vier Wände, meine Stereoanlage und meine Plattensammlung. Tolle Feste feiern und nette Leute kennenlernen. Diskussionen führen – endlos und ergebnislos.Hoffen: ja, das können wir auch!
Auf weniger Arbeitszeit, auf Beförderung, auf einen guten Abschluss, dass morgen schönes Wetter wird, dass der oder die anruft, dass der Bus kommt, dass die Ampel endlich auf grün schaltet!Wir sind die Watte-, Watte-, Watte-Generation, sicher wisst ihr das schon! (2x)
Doch wir vergessen zu fragen, zu suchen, zu kämpfen. Wir wollen zufrieden sein und setzen dafür alles ein. (2x)“Watte”, was ist das? Weiches, flaumiges Zeug, nicht zu greifen. “In” sein und dabei sein. Die neuste Frisur haben und die ältesten Jeans tragen. Tolerant sein und bequem leben: leicht, leicht, leicht, leicht, leicht, leicht, wie Watte so weich.
Ich habe noch etwas zu sagen. Da meinte doch diese Woche einer zu mir: “Also ich sage immer zu allem Ja” und fragte mich, was denn eigentlich “nein” bedeutet.
Text: Gery De Stefano u. Jutta Kühn,
Musik Gery De Stefano
1977 / 2022 CD “Schlüssel in der Hand”Kommentarbereich
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Atmen
Ich hatte Probleme mit meinem Brustkorb, der Rücken tat weh, ich konnte nicht richtig atmen. Ich ging zu meiner Physiotherapeutin, die mich untersuchte und mir dann ganz trocken sagte: “Weißt du, du musst nicht immer nur einatmen, sondern auch ausatmen.”
Das hat mich sehr getroffen, denn ich spürte, dass dies für mein ganzes Leben gilt: mal ein, mal aus; mal aktiv, mal ruhen; mal geben, mal nehmen …
Daraus ist das folgrende Lied entstanden. Es läd zum Mitatmen ein!ATMEN
Einmal fange ich an, einmal höre ich auf, einmal steig ich hin ab
und einmalsteig ich hin auf, einmal bin ich al lein, einmal sind wir zu zwein, einmal mittendrinn stehn,
einmaleinsam weiter gehn … ein – aus, ein – aus einmal läuft alles rund,
einmal ist alles bunt,
einmal rot, gelb oder blau,
einmal einfach nur schwarz oder grau,
einmal geht’s weit hinaus,
einmal bleib ich zuhaus’,
einmal such ich das Neue,
einmal halt ich dem Alten die Treue …
ein – aus, ein – auseinmal geht’s gradeaus,
einmal kenn’ ich mich aus,
einmal geht’s um zwanzig Ecken,
einmal muss ich neue Wege entdecken,
einmal sprüh ich voll Leben,
einmal kann ich viel geben,
einmal fühl ich mich leer,
einmal kann ich nicht mehr …
ein – aus, ein – ausWas ist gut, was ist besser?
Was ist schön, was ist schlechter?
Soll ich bleiben oder gehn?
Soll ich wegschaun oder hinsehn?
Ich glaub alles hat sein’ Sinn,
ich will ganz da sein, wo ich grad bin,
ich muss nicht mehr eine andre sein,
ich atme aus und atme ein …
yein – aus, ein – aus, ein – ausText und Musik: Gery De Stefano 2021, auf CD “Schlüssel in der Hand”,
Cello Christian Kewitsch, Saxofon Pierre De StefanoKommentarbereich
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Warnung
Foto: privat
Ich wartete auf die Lieferung meiner ersten eigenen Waschmaschine und geriet plötzlich in Krise: ich befürchtete, den Gipfel der Spießigkeit erreicht zu haben.
Ich hatte so hohe Ideale, suchte ein alternatives Leben außerhalb der Konsumgesellschaft, bemühte mich um ein ökologisches Verhalten, einfach und bescheiden, ich hatte einen sozialen Beruf gewählt…
Ich wollte den Kauf der Waschmaschine schon wieder rückgängig machen, denn sie schien nicht zu meinem Lebensstil zu passen.
Da wurde mir bewusst, dass auch hohe Ideale oder die beste Gesellschaftskritik ein einfaches „Gut-Mensch-Image“ werden können, ein oberflächlicher Anstrich, „Schall und Rauch“, wenn nicht die Liebe in „Tat und Wahrheit“ dahinter steckt. Es sind nicht immer die großen Entscheidungen, die etwas im Leben verändern, sondern manchmal die ganz kleinen, geheimen, inneren…
WARNUNG
1.
Ich hab heut Abend ‘ne Ent deckung ge macht,
ist fast zu simpel um sieeuch zu er zählen,
doch mich hat sie beinahum ge bracht:
es war ‘ne Wende vonhundert achtzig Grad. Ihr könnt mir glauben, wenn ihr wollt, könnt diskutieren, wenn ihr’s gebrauchen könnt, so könnt ihr’s vielleicht nachvoll zieh‘n. 2.
Ich war der Meinung, ich hätte das Leben ge fressen,
und hab bestimmt nicht nur imLehnstuhl ge sessen
Habe mir auch ‘nen sozialen Job ge wählt,
hab Dreck und Leid geseh‘n undhab’s auch ange packt. Ich fühlte mich so an der Basis, war engagiert, war nie am grünen Tisch, hab‘ niemals Theorien ge führt. 3.
Meine Wohnung ist in einem Arbei terre vier.
Ich dachte, das genügt, umBourgeoi sie zu meiden.
Die Möbel drinn‘ sind secondhand und primi tiv,
man sollte merken, dass ichReichtum echt nicht leide. Und ich war stolz auf diese Lösung, gab oft an damit, ich wollte Spießertum ver meiden, doch wurde selber fett. 4.
Vor allem fand ich mich pro gres siv,
genoss die Janis Joplinund Pink Floyd.
Habe nie anderes alsLevis- Jeans getragen,
mein Mann ist einer mitBart und langen Haaren. Ich dachte fast, ich wär in allem schon ein Revolutio när,
ich dachte fast, vielfehlte mir nun auch nicht mehr: 5.
Ich warne euch, man ist schnell e- ta bliert,
viel schneller als man denkt undviel ge meiner!
Man hat ‘ne gute Meinung,äußert viel Kri tik,
man meint man hätte dengroßen Über blick, doch so im Tiefsten, so im Innern, wenn du ehrlich bist, dann ist’s nichts weiter als ‘ne große Selbstgefälligkeit. 6.
Ich hab heut angefangen anders zu leben,
nicht äußerlich, denn das hatnichts zu sagen,
ich hab bloß angefangenmich zu fragen,
wie viel in meinem Lebenecht und wahr ist: ob meine Liebe wirklich „Liebe“ ist, ob es nicht nur schöne Worte sind, oder nicht nur ein Image ist, ob sie konkret bis ins Letzte ist, ob sie stärker als das Negative ist, ob sie stärker als der Tod ist! 7.
Ich hab heut angefangen anders zu leben,
nicht äußerlich, denn das hatnichts zu sagen,
ich hab bloß angefangenmich zu fragen,
wie viel in meinem Lebenecht und wahr ist. Text und Musik Gery De Stefano 1977, veröffentlicht auf der CD “Schlüssel in der Hand”, Arrangement Olaf Dung.
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